Bidirektionales Laden: Schlüsseltechnologie für die Mobilitäts- und Energiewende

Bidirektionales Laden verbindet Mobilität und Energieversorgung auf völlig neue Weise: Elektroautos werden zu mobilen Speichern, die Strom ins Netz zurückspeisen, Kosten senken und das Energiesystem stabilisieren. Für diese Schlüsseltechnologie braucht es klare Regeln und eine enge Abstimmung zwischen Energie-, Verkehrs- und Digitalpolitik.

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Die Elektromobilität hat sich in den letzten Jahren zu einem zentralen Pfeiler der Verkehrswende entwickelt. Mit ihr wächst die Zahl an batterieelektrischen Fahrzeugen und damit auch ihr Potenzial, das Stromsystem aktiv zu unterstützen. Bidirektionales Laden – also die Fähigkeit von batterieelektrischen Fahrzeugen , Energie nicht nur zu beziehen, sondern auch zurückzuspeisen – eröffnet völlig neue Perspektiven für die Verbindung von Mobilität und Energieversorgung. E-Fahrzeuge werden so zu mobilen Speichern, die das Netz entlasten, Stromkosten senken und somit die Integration erneuerbarer Energien verbessern können.

Gleichzeitig steht Deutschland am Beginn eines technologischen und regulatorischen Aufbruchs. Der Masterplan Ladeinfrastruktur 2030 adressiert das Thema erstmals systematisch, während Industrie und Energieversorger an Pilotprojekten und Standards arbeiten. Damit der Markthochlauf gelingt, braucht es jedoch klare Rahmenbedingungen – von der Zertifizierung bis zur Interoperabilität –, die Vertrauen schaffen und gleichzeitig Innovation und Skalierbarkeit ermöglichen.

1. Bidirektionales Laden ist Mobilitäts - und Energiepolitik zugleich

Bidirektionales Laden (BDL) ist weit mehr als ein energiewirtschaftliches Thema. Es ist eine Schnittstelle zwischen Verkehrs - und Energiepolitik und betrifft die gesamte Mobilität der Zukunft – vom Individualverkehr über Flotten bis hin zu betrieblichen Ladelösungen. Damit entsteht ein neues, sektorenübergreifendes Ökosystem, das Mobilität, Energie und Digitalisierung verbindet .

Die Fraunhofer ISI und Fraunhofer ISE haben errechnet, dass sich durch die Nutzung von Fahrzeugbatterien als Pufferspeicher bis 2040 bis zu 8,4 Milliarden Euro pro Jahr einsparen lassen in Deutschland – bei gleichzeitig deutlich geringerem Bedarf an industriellen stationären Großs peichern. Durch die Rückspeisung von Energie in das Netz (Vehicle-to-Grid oder V2G) oder ins eigene Gebäude (Vehicle -to -Home oder V2H) können Lastspitzen reduziert, Netze entlastet und die Integration erneuerbarer Energien verbessert werden. Damit kann bidirektionales Laden wesentlich zur Kosteneffizienz und Resilienz der Energiewende beitragen.

Verkehrspolitisch ist BDL darüber hinaus ein entscheidender Hebel, um Elektromobilität wirtschaftliche r zu gestalten und eröffnet neue Geschäftsmodelle – etwa für Flottenbetreiber, Energieversorger und Verbraucher:innen, die ihren Strom aktiv vermarkten können.

Der TÜV -Verband begrüßt daher ausdrücklich, dass das Thema bidirektionales Laden inzwischen auf der politischen Agenda angekommen ist – insbesondere durch seine Aufnahme im Koalitionsvertrag der Regierung und zuletzt im konkreten Entwurf des Masterplans Ladeinfrastruktur 2030 des Bundesministeriums für Verkehr (BMV) . Gleichzeitig muss betont werden , dass die im Entwurf enthaltenen Finanzierungsvorbehalte den Fortschritt in diesem Bereich bremsen könnten. Um das Potenzial von Vehicle-to-Grid zu heben, braucht es verbindliche Förderzusagen und klare Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Netzbetreibern.

Für den Erfolg von BDL braucht es eine enge Koordination zwischen BMV und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE). Nur durch gemeinsames Handeln von Energie-, Mobilitäts- und Digitalpolitik kann das volle Systempotenzial des bidirektionalen Ladens gehoben werden.

2. Klare Regulierung und verbindliche Zertifizierung schaffen Vertrauen und Investitionssicherheit

Damit die Technologie des bidirektionalen Ladens in den Markt überführt werden kann, braucht es nun einen klaren regulatorischen Rahmen, der Innovation ermöglicht und zugleich Sicherheit gewährleistet.

Zentrale Bausteine sollten sein:

  • Verbindliche Vorgaben zur Zertifizierung von Systemen, Fahrzeugen und Ladeinfrastrukturkomponenten;
  • technische Mindestanforderungen für Interoperabilität und Datenschnittstellen zwischen Fahrzeug, Ladepunkt und Netz;
  • einheitliche Sicherheits - und Prüfstandards , überprüfbar durch unabhängige Stellen.

Nur auf Basis solcher Vorgaben können Unternehmen tragfähige Geschäftsmodelle aufbauen, Energieversorger Netzdienlichkeit garantieren und Verbraucher:innen Vertrauen in Sicherheit und Funktionalität gewinnen.

3. TÜV -Organisationen stehen als Partner für Sicherheit und Qualität bereit

Die TÜV-Organisationen verfügen über umfangreiche Expertise in der Prüfung, Bewertung und Zertifizierung von Fahrzeugtechnik, Ladeinfrastruktur, IT -Sicherheit und Energiesystemen. Wir stehen bereit, um Zertifizierungen zu Sicherheit, Interoperabilität und Netzstabilität bidirektionaler Systeme durchzuführen – sowohl im Fahrzeugbereich als auch auf Seiten der Lade infrastruktur und Kommunikationsschnittstellen.

Unser Ziel ist es , den Markthochlauf des bidirektionalen Ladens sicher und verlässlich zu begleiten und so zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Technologie beizutragen. Vertrauen entsteht nur durch geprüfte Qualität – und genau hier leisten die TÜV -Organisationen ihren Beitrag.

4. Flankierende Maßnahmen: Digitalisierung und Infrastruktur beschleunigen

Damit bidirektionales Laden in der Breite und für alle Nutzer:innen Realität werden kann, müssen flankierende Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu gehören insbesondere:

  • der beschleunigte Ausbau intelligenter , mit dem Internet verbundenen, Messsysteme (Smart Meter) , um Rückspeisung und Verbrauch transparent und abrechenbar zu machen;

  • die Vereinfachung von Netzanschlussverfahren und Genehmigungen für Ladeinfrastruktur;

  • die Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens für dynamische Stromtarife und netzdienliche Steuerung.

Die im Entwurf des Masterplans Ladeinfrastruktur 2030 vorgesehene Verankerung des bidirektionalen Ladens ist ein erster notwendiger Schritt . Entscheidend ist nun, dass aus den politischen Zielsetzungen verbindliche Maßnahmen und technische Rahmenbedingungen folgen, um aus der Phase der Pilotanwendungen herauszukommen.

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Positionspapier "Bidirektionales Laden: Schlüsseltechnologie für die Mobilitäts- und Energiewende"