Das europäische „New Legislative Framework“ (NLF) ist das Fundament für die Regulierung von Produkten im europäischen Binnenmarkt. Doch in einer Zeit technischer Innovationen, globaler Wettbewerbsdynamik und wachsender digitaler Anforderungen braucht auch dieses Fundament ein Update. Der TÜV-Verband begrüßt die von der EU angestoßene Debatte zur Reform des NLF – und bringt sich mit einem eigenen Positionspapier aktiv in die Diskussion ein.
Der TÜV-Verband plädiert für eine zielgerichtete Weiterentwicklung des bestehenden NLF-Beschlusses 768/2008/EG und spricht sich für einen regulatorischen Werkzeugkasten aus, der bewährte Prinzipien wie den risikobasierten Ansatz bewahrt: Digitale Prozesse, neue Prüfmethoden und Transparenzinstrumente wie den digitalen Produktpass sollten dabei integriert werden. Die Botschaft ist klar: Schutzziele, Vertrauen und Wettbewerbsfähigkeit sind keine Gegensätze – sie gehören zusammen.
Empfehlungen des TÜV-Verbands im Überblick
1. Gute Regulierung als Fundament eines leistungsfähigen Binnenmarktes umsetzen
- Regulierung ist kein Selbstzweck, sondern ein zentrales Element für Sicherheit, Vertrauen und Innovationskraft
- Bürokratieabbau darf nicht zum pauschalen Abbau von Schutzzielen führen
- Vielmehr braucht es evidenzbasierte, kohärente und qualitativ hochwertige Gesetzgebung
2. Keine pauschalen Sonderregelungen für KMU
- Grundlegende Sicherheitsanforderungen müssen unabhängig von der Unternehmensgröße gelten – auch KMU sollten dieselben Schutzziele erfüllen
- Erleichterungen können sich auf administrative Aspekte oder längere Übergangsfristen beschränken, nicht auf materielle Standards
- Reallabore sind denkbar – aber nur bei Wahrung der Produktsicherheit, etwa durch freiwillige Prüfungen durch unabhängige Dritte
3. Umsetzung mitdenken – eindeutige Zuständigkeiten und mehr Effizienz
- Ein modernes NLF braucht klare Zuständigkeiten und abgestimmte Verwaltungsprozesse in den Mitgliedstaaten
- One-Stop-Shop-Strukturen, festgelegte Fristen und ausreichende behördliche Kapazitäten sollen den Vollzug stärken und Wettbewerbsnachteile vermeiden
4. Digitalisierungsupdate für das NLF
- Die Anforderungen der Digitalisierung muss integraler Bestandteil eines modernen NLF sein
- Der TÜV-Verband schlägt ein interoperables, europäisches One-Stop-Shop-Modell vor, das Verwaltungsprozesse zentral digitalisiert
- Auch KI-basierte Prüfmethoden können unterstützend eingesetzt werden – bei Wahrung staatlicher Verantwortung
5. Das Fundament erhalten, den Werkzeugkasten erneuern – Weiterentwicklung des NLF-Beschlusses
768/2008/EG
- Eine Aktualisierung des Beschlusses Nr. 768/2008/EG ist nötig, ersetzt werden sollte er nicht
- Eine gezielte Weiterentwicklung – kombiniert mit einem Omnibusverfahren für sektorale Anpassungen – stärkt Systemtreue und Zukunftsfähigkeit
6. Harmonisierung des europäischen Akkreditierungsrahmens
- Die Akkreditierung muss EU-weit einheitlich erfolgen
- Die Verordnung (EG) 765/2008 sollte überarbeitet werden, um einheitliche Maßstäbe zu garantieren
7. Konformitätsbewertung im NLF – risikobasiert und modular
- Konformitätsbewertung muss sich am Risikoprofil des Produkts orientieren
- Die Modularität der Konformitätsbewertung im NLF erlaubt es, abhängig vom Risikoprofil eines Produkts, unterschiedliche Wege zur Nachweisführung der Konformität zu beschreiten – diese Flexibilität hat sich bewährt
- Die bevorzugte Nutzung eines Moduls aufgrund vermeintlicher Bürokratiearmut lehnt der Verband ab und bestärkt die Nutzung des risikobasierten Ansatzes bei der Auswahl der Module
8. Neues Modul V – Validierung und Verifizierung für deklaratorische Produktaussagen
Viele Produktaussagen sind dynamisch – zum Beispiel Leistungsdaten, Umweltangaben oder Updates. Der TÜV-Verband schlägt deshalb ein neues Modul V vor: ein Verfahren zur unabhängigen Validierung und Verifizierung auf Basis der ISO/IEC 17029. So lassen sich auch veränderliche Angaben belastbar absichern.
9. Digitale Produktpässe – Potenziale ausschöpfen, Transparenz erhöhen
- Der digitale Produktpass (DPP) soll Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Produkten für Verbraucher:innen, Marktüberwachung und andere Wirtschaftsakteure verbessern
- Im NLF sollten Mindestanforderungen für den Aufbau und die Interoperabilität formuliert werden
- Um das Vertrauen in die Vollständigkeit und Verlässlichkeit der Aussagen des DPP zu fördern, empfiehlt der TÜV-Verband robuste Validierungs- und Verifizierungsmechanismen durch unabhängige Dritte