Durch die Teil-Legalisierung von Cannabis und die Schaffung des THC-Grenzwerts für den Straßenverkehr hat sich die öffentliche Wahrnehmung gewandelt: Es droht die Gefahr, dass Cannabis-Konsum pauschal als vereinbar mit dem Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird – insbesondere bei Medizinalcannabis auf Rezept. Tatsächlich kann Cannabis die Fahrtüchtigkeit deutlich einschränken und somit ein ernstzunehmendes Risiko im Straßenverkehr darstellen, unabhängig davon, ob medizinisch indiziert oder nicht.
Wachsender Markt für medizinisches Cannabis
Ursprünglich nur als letzte therapeutische Option gedacht, wird Medizinalcannabis heute häufig bei weniger schwerwiegenden Indikationen verschrieben. Besonders problematisch ist die Verfügbarkeit über Telemedizin-Plattformen ohne ärztliche Untersuchung – ein Trend, der auch von der Rechtsprechung kritisch bewertet wurde. Hinzu kommt: Es werden zunehmend hochkonzentrierte Cannabisblüten verschrieben, während verkehrssicherere Alternativen wie Kapseln oder CBD-dominierte Produkte seltener zum Einsatz kommen. Die Folge: ein erhöhtes Unfallrisiko, gepaart mit Unsicherheit bei Patient:innen und Behörden.
Fehlende Orientierung bei der Fahreignung
Im Gegensatz zu Alkohol gibt es bei THC keine standardisierten Grenzwerte, die den Betroffenen als Orientierung dienen. Die Gefahr besteht, dass viele Patient:innen fälschlicherweise davon ausgehen, dass ihre Fahreignung auch unter hoher THC-Konzentration grundsätzlich gegeben ist. Mit der steigenden Verordnungshäufigkeit steigt auch die Anzahl der Menschen, die Cannabis als Langzeitmedikament einnehmen und die Frage der Fahreignung unter Dauermedikation gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Warum Fahreignungsbegutachtungen entscheidend sind
Ergeben sich Zweifel an der Fahreignung, können diese nur durch eine qualifizierte Fahreignungsbegutachtung abgeklärt werden – beispielsweise in amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung. Ziel der Begutachtung ist es, die ordnungsgemäße Einnahme zu bestätigen sowie Missbrauch – etwa durch gezielte Verordnung hochdosierter Blüten zur Umgehung geltender THC-Grenzwerte – auszuschließen, ohne Menschen mit berechtigtem medizinischem Bedarf pauschal vom Straßenverkehr auszuschließen.
Medizinalcannabis: Fünf Empfehlungen für mehr Verkehrssicherheit
Der TÜV-Verband spricht folgende Empfehlungen aus, um sowohl Patientenschutz als auch Verkehrssicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten:
Fahreignungsbegutachtung bei langfristiger Medizinalcannabis-Therapie
Klare Regelungen für Berufskraftfahrer:innen durch Dienstanweisungen oder Betriebsvereinbarungen
Rechtssicherheit für Patient:innen, Ärzt:innen und Behörden durch eindeutige gesetzliche Vorgaben
Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt bei Verschreibung und Präsenzapotheken
Mehr öffentliche Aufklärung dazu, dass Medizinalcannabis keine automatische Fahrfreigabe bedeutet
Klare Regeln für sichere Straßen
Die aktuelle Entwicklung bei der Verordnung von Medizinalcannabis birgt erhebliche Risiken für die Verkehrssicherheit. Der TÜV-Verband fordert daher eine klare gesetzliche Regelung, die den Schutz der Allgemeinheit in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig eine differenzierte Betrachtung zwischen legitimer Medikation und missbräuchlicher Nutzung ermöglicht.
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"Medizinalcannabis als Herausforderung für die Verkehrssicherheit"